Schüler/-innen der Sprachenklasse der Louise-Schroeder-Schule Berlin mit der Bildungsstaatssekretärin Christina Henke © Dieter Kroll
Mai 2024
Im März 2024 wurde der bundesweit 400.000ste Europass Mobilität überreicht. Empfänger war Dominik Diehr, der die Louise-Schroeder-Schule in Berlin besucht und im Jahr 2023 sechs Monate seiner Ausbildung in Irland absolvierte.
Als der Europass 2005 eingeführt wurde, um Lernerfahrungen im Ausland zu dokumentieren und Kompetenzen europaweit vergleichbar zu machen, hatte wohl kaum jemand erwartet, dass nicht einmal 20 Jahre später in Deutschland bereits die 400.000er-Marke erreicht würde. Verliehen wurde das Jubiläumsdokument im feierlichen Rahmen von Christina Henke, Staatssekretärin für Bildung, Jugend und Familie in der Berliner Senatsverwaltung. Neben Dominik Diehr erhielten auch zahlreiche andere Schülerinnen und Schüler ihre Europässe. Zur Veranstaltung eingeladen hatte Franziska Becker, Staatssekretärin für Inneres und Sport in der Senatsverwaltung Berlin.
„Ein wenig nervös war ich schon, als der große Moment kam. Ich bin es einfach nicht gewohnt, im Rampenlicht zu stehen“, erzählt Dominik Diehr. Doch es gelang ihm ganz hervorragend, wie übrigens auch die kleine Rede, die der 22-Jährige anlässlich des Jubiläums vorbereitet hatte. Der gebürtige Berliner absolviert eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und besucht die Louise-Schroeder-Schule in Berlin. 2023 nutzte er die Chance, für ein halbes Jahr nach Irland zu gehen, um dort ein Auslandspraktikum zu absolvieren.
Der Gedanke, einen Teil der Ausbildung im europäischen Ausland zu verbringen, hatte ihn schon beim Vorstellungsgespräch im Jahr 2021 gereizt. Ursprünglich wollte er sich gleich nach dem Abitur auf den Weg machen, die COVID 19-Pandemie hatte das seinerzeit aber verhindert. Die Idee jedoch blieb, und so landete Dominik Diehr schließlich in einem Golfclub nahe Dublin, wo er während seines Praktikums fünf Monate lang vor allem für die Mitgliederverwaltung verantwortlich war. Dass ein solch langer Aufenthalt möglich wurde, hat viel mit der Philosophie der Louise-Schroeder-Schule zu tun. Das bestätigt Wiltraut Zick, Projektleiterin Erasmus+ an der Schule. Sie verweist auf die lange Geschichte der Internationalisierung, die bereits Ende der 1990er-Jahre mit ersten Austauschprogrammen begann, der Europass wurde unmittelbar nach seiner Einführung Anfang 2005 erstmals eingesetzt.
Wiltraut Zick wurde zwei Jahre später Mitglied des EU-Teams an der Schule im Stadtteil Lichterfelde. Sie erinnert sich: „Damals gab es bereits die Sprachenklassen, in denen der gesamte Lehrplan darauf ausgerichtet ist, dass die Schülerinnen und Schüler im vierten Halbjahr für einige Monate ins Ausland gehen. Das wird schon im Ausbildungsvertrag festgelegt und durch einen intensiven Sprachunterricht vorbereitet.“ Ziel der Sprachenklasse war und ist es, die berufliche Ausbildung zu stärken und attraktiver zu machen. Dazu arbeitet die Schule eng beispielsweise mit der Senatsverwaltung des Inneren, der Humboldt-Universität, der Technischen Universität Berlin und einigen Bezirksämtern zusammen. Heute richtet sich der Fokus auf die Verwaltungsfachangestellten, wobei das Angebot ursprünglich eine breitere Zielgruppe im Blick hatte. Begonnen hat die Geschichte einst damit, die Sprache der polnischen Nachbarn zu vermitteln, um den Dialog mit dem Nachbarland zu intensivieren. Später war sogar eine türkische Sprachenklasse hinzugekommen, heute gibt es das Angebot nur noch in Englisch.
Seitens der Schulleitung werde die Idee sehr unterstützt, betont Zick, die Internationalisierung habe immer eine wichtige Rolle gespielt, auch in Sachen Schulentwicklung. Sie sei fest im Schulprogramm verankert, zudem gibt es seit 2015 eine Internationalisierungsstrategie, die unterschiedliche Maßnahmen koordiniert und aufeinander abstimmt. Alle Beteiligten – von der Schulleitung und den Lehrenden bis zu den Azubis und Partnern – haben erkannt, welche Vorteile internationale Netzwerke mit sich bringen und wie sich dies strukturell und inhaltlich auswirkt. Denn eine Schule, die mit europäischen Partnern zusammenarbeite und von diesen lerne, habe Vorteile beim Beschreiten neuer Wege und der Entwicklung innovativer Ideen, unterstreicht Wiltraut Zick.
Szenenwechsel. Sylvia Großkreutz unterrichtet Englisch und Wirtschaftslehre und ist Lehrerin in einer Sprachenklasse an der Louise-Schroeder-Schule. Sie sagt:
Wenn ich weiß, dass ich Schülerinnen und Schüler in meiner Klasse sitzen habe, die während der Ausbildung für sechs Monate ins Ausland gehen, um etwas Neues kennenzulernen und die Sprache zu verbessern, dann ist das einfach spannend. Da kann man ganz anders arbeiten und an bestimmte Themen herangehen, weil die Motivation einfach höher ist. So können wir zum Beispiel spezifischere Themen wie Projektplanung behandeln und Präsentationen erarbeiten, die gerade für die Zeit des Praktikums wichtig sein können.“
Auch der Europass spielt im Kontext der Sprachenklasse eine wichtige Rolle, vor allem der Europass Lebenslauf und die Selbsteinschätzungstools zu sprachlichen und digitalen Fähigkeiten. Die Schülerinnen und Schüler nutzen bei der Bewerbung für die Praktika ausschließlich den Europass Lebenslauf. Das sei zwar generell so, in den Sprachenklassen aber werde intensiv mit berufsbezogenem Vokabular gearbeitet, damit die Teilnehmenden lernen, sich auf Englisch auszudrücken. Ein wesentlicher Vorteil des Europass Lebenslaufes sei es, dass er klare Strukturen vorgebe und es damit erleichtere, die eigenen Kompetenzen zu hinterfragen und in verständlicher Form darzustellen.
Wiltraut Zick würde sich neben dem Einsatz des Dokuments in den Sprachenklassen und im normalen Fremdsprachenunterricht auch eine stärkere Einbindung im Fach Deutsch wünschen. Vor diesem Hintergrund hat sie das Thema in die Fachkonferenz Deutsch eingebracht, um den Lebenslauf in der Berufsschule und bei den vollschulischen Auszubildenden systematisch als Unterrichtsthema zu etablieren. Zick wörtlich: „Unsere Idee ist es, eine Unterrichtseinheit für den Deutschunterricht zu konzipieren, mit klaren inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben. Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass die Schülerinnen und Schüler im Fachraum sitzen und über das Europass-Portal ein Bewerbungstraining absolvieren.“
Den Europass Mobilität erhalten übrigens alle Auslandspraktikanten der Louise-Schroeder-Schule, ganz gleich, ob sie für sechs Monate, acht oder drei Wochen in einem anderen Land waren. Die Übergabe der Europässe an Dominik Diehr und die anderen Schülerinnen und Schüler war auch für Wiltraut Zick ein besonderer Moment. Sie bekräftigt:
Einige von ihnen haben mir berichtet, dass sie sich so einen Auftritt vor ihrem Auslandsaufenthalt gar nicht zugetraut hätten. Die sind in dieser Zeit enorm gewachsen. Ich persönlich glaube, dass dabei auch so etwas wie ein EU-Funke überspringt. Die Schülerinnen und Schüler erkennen, wie spannend, aber auch wichtig Europa und die europäischen Werte sind. Das ist in einer Zeit, in der die Demokratie jede Förderung braucht, von großer Bedeutung.“
Und Dominik Diehr? Er macht im Mai seine Abschlussprüfung und möchte anschließend beim Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit in Berlin arbeiten. Auf den Erhalt des 400.000sten Europass Mobilität war er letztlich dann doch ein wenig stolz, zugleich aber weiß er:
Ich habe diese Ehrung stellvertretend für alle erhalten, die während der Ausbildung eine Zeit im Ausland verbracht haben. Allen anderen kann ich nur zurufen: Nutze die Gelegenheit. Du wirst viel Neues entdecken und voller spannender Erfahrungen und Ideen zurückkommen.“
Text von Manfred Kasper