Europass: Ein Tool für den Übergang Schule-Beruf

Februar 2023

Klare Strukturen erleichtern die Prozesse: Die Jugendberufsagentur Ludwigshafen will den Europass zum Standard-Tool für die Kooperation mit Schulen und anderen Partnerinstitutionen machen.
Jugendberufsagenturen dienen als gemeinsame Anlauf- und Kontaktstelle für Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren im Übergang zwischen Schule, Ausbildung und Beruf. In Ludwigshafen arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters, des Bereichs Jugendförderung und Erziehungsberatung sowie der Berufsberatung „Hand in Hand“, um die Zielgruppe optimal zu unterstützen. Der Europass spielt dabei eine besondere Rolle, vor allem wenn es um die Kooperation mit Schulen und Betrieben geht.

„Die meisten Jugendlichen, die zu uns kommen, bringen eine Vielzahl von Problemen mit. Das heißt, wir bearbeiten sehr komplexe Fälle, die oft viel Zeit brauchen“, sagt Sylvie Weber-Hauser, die seit zwei Jahren als Projektkoordinatorin im Projekt JBA Plus* arbeitet. Dieses ist bei der kommunalen Jugendförderung Ludwigshafen angesiedelt. Zuvor war Weber-Hauser lange in der Personalberatung tätig, sie kennt die Welt der Bewerbungen und Lebensläufe also bestens. So ist sie auch auf den Europass aufmerksam geworden.

Europass ist für die Arbeit der Jugendberufsagentur extrem hilfreich, da er die Chancen der Jugendlichen nachhaltig verbessert.

Die Entscheidung, sich für die Jugendberufshilfe einzusetzen, war für die 48-Jährige ein Stück weit eine Herzensangelegenheit. Dazu Weber Hauser: "Wir wollen eine Art ,Brückenbauer’ sein und die Jugendlichen, die zu uns kommen, über ihre beruflichen Möglichkeiten informieren sowie ihnen bei der Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt helfen – sei es, weil sie private oder soziale Probleme haben, den Abschluss in der Schule nicht geschafft haben oder keine Ausbildungsstelle finden. Der entscheidende Punkt für mich ist, dass wir die Dinge immer aus der Perspektive der Jugendlichen sehen. Neben der konkreten Beratung spielt dabei auch die Netzwerkarbeit mit Schulen und Trägern eine wichtige Rolle.“
 

Runder Tisch bezieht Schulen ein

Dazu hat Sylvie Weber-Hauser gemeinsam mit Heidrun Thoma von der Initiative Zukunftsträger einen „Runden Tisch Übergang Schule-Beruf“ geschaffen, den sie dreimal jährlich mit Vertreterinnen und Vertretern aus Weiterführenden Schulen und Berufsschulen, der Berufsberatung sowie Akteuren wie den Joblingen und der Geniefabrik durchführt. Diese arbeiten eng mit den Schulen zusammen, um junge Menschen mit schwierigen Startbedingungen zu fördern und die Lücke zwischen Herkunft und Zukunft zu schließen. „Gemeinsam versuchen wir, für die Thematik zu sensibilisieren und den Schulen das Europass-Portal näherzubringen“, berichtet Weber-Hauser. Denn der Europass ermögliche es, auf relativ einfache Art und Weise ein Profil zu erstellen, das die Jugendlichen immer wieder nutzen und aktualisieren können. Das sei gerade beim Übergang von der Schule in den Beruf äußerst wichtig, da bislang erstellte Bewerbungsunterlagen häufig verloren gingen und man immer wieder „bei Null“ habe starten müssen. 

„Mit der Nutzung des Europass schaffen wir Strukturen in diesem Bereich. Das funktioniert natürlich noch besser, wenn auch die Schulen das Dokument nutzen“, betont Weber-Hauser, und ergänzt:

Die Bewerbungen über das Europass-Portal bringen ja auch für die Schulen eine Optimierung der Prozesse mit sich. Daher möchte ich den Europass-Lebenslauf dort gerne als verbindliche Vorgabe für Bewerbungsverfahren etablieren, auch wenn manchmal noch Berührungsängste mit digitalen Tools bestehen.

Um diese abzubauen, führt sie in enger Zusammenarbeit mit der Berufsberatung U 25 der Stadt Ludwigshafen Workshops und Infoveranstaltungen in den Schulen durch, in deren Rahmen die Vorteile des Europass-Portals vermittelt werden. 

Mit Erfolg. So hat sich beispielsweise die BBS Technik II Ludwigshafen – eine der größten Berufsschulen in Rheinland-Pfalz – auf den Weg gemacht, den Europass verbindlich einzuführen. Günther Bauer, Schulsozialarbeiter im Berufsvorbereitungsjahr an der BBS, erzählt: „Wir haben in diesem Schuljahr den Europass zum ersten Mal in unserer Berufsorientierungswoche für alle Schülerinnen und Schüler im Berufsvorbereitungsjahr eingesetzt. Das hat großen Spaß gemacht. Ich denke, dass die Nutzung des Europass an den allgemeinbildenden Schulen in Ludwigshafen unsere Arbeit in der Berufsorientierung sehr unterstützen wird." 

Sylvie Weber-Hauser wünscht sich, dass das Europass-Portal zu einem Standard für derartige Prozesse wird. Sie unterstreicht: „Wenn wir alle mit dem gleichen Tool arbeiten, hat das Vorteile für alle Beteiligten und erhöht zugleich die Chancen der benachteiligten Jugendlichen. In diesem Sinne möchte ich Überzeugungsarbeit leisten und möglichst viele Partner für die Idee begeistern.“
 

Der Europass als „Icebreaker“

Simon Lindmayer arbeitet als Jobcoach ebenfalls im ESF-Projekt JBA Plus und seit der Gründung in Ludwigshafen 2016 bei der Joblinge gAG Metropolregion Rhein-Neckar. Rund 90 Prozent der von ihm betreuten Jugendlichen kommen über das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit. Der Europass ist für ihn ein „Icebreaker“, um über eine Ausbildungs- oder Arbeitsperspektive sprechen zu können. In der Regel erstellt er gemeinsam mit den Jugendlichen ein Europass-Profil oder unterstützt sie beim Verfassen ihres Lebenslaufes. – Ein gutes Beispiel dafür ist der 21-jährige Deniz (Name geändert), der im dritten Lehrjahr seine Ausbildungsstelle verloren hatte und schnell Unterstützung benötigte, um etwas Neues zu finden. Auch wenn Deniz guten Willens war, merkte Lindmayer rasch, dass es einen echten Impuls brauchte, um weiter zu kommen:

Das gemeinsame Erstellen des Europass Lebenslaufes hat viel mit Selbstvertrauen und Anerkennung zu tun. Manchmal reicht es schon aus, wenn die jungen Leute sehen, dass sie plötzlich etwas an der Hand haben. Das ist ungemein motivierend und macht sie stolz. Es schafft zugleich Kontinuität für meine Arbeit, denn beim zweiten Termin können wir nahtlos an die Ergebnisse des ersten Treffens anknüpfen.

Deniz hat sich nach dem Gespräch in der Jugendberufsagentur gleich auf den Weg gemacht, seine Erfolgschancen sind nicht schlecht, glaubt Lindmayer. Das Beispiel zeige, wie wichtig es sei, die Bereitschaft der jungen Leute, sich ernsthaft mit Themen wie Ausbildung und Berufschancen zu beschäftigen, zu wecken.

Das bestätigt Christiane Hennrich, Trainerin im Team der zum Arbeitsmarktdienstleister TWBI gehörenden Geniefabrik GmbH Schifferstadt. Sie setzt zusammen mit Sylvie Weber-Hauser und den Übergangscoaches, die an den Ludwigshafener Schulen im Einsatz sind, Europass-Schulungen um und berichtet: „Unser Anliegen ist es, Schülerinnen und Schüler beim Erlangen der Berufsreife zu unterstützen. Ich selbst war jahrelang als Übergangscoach an einer Schule in Ludwigshafen beschäftigt und kenne die Bedeutung klarer Standards und Strukturen in diesem Bereich. Das Europass-Portal hat sich hier als Instrument bewährt. Wir wollen es künftig auch für andere Maßnahmen nutzen, weil wir es für gut und effizient halten. Das gilt vor allem auch, weil wir viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund haben, denen die Mehrsprachlichkeit des Europass sehr hilft.“ Wie Weber-Hauser und Lindmayer würde Hennrich sich wünschen, dass derartige Dokumente auch in außereuropäischen Sprachen verfügbar seien.

Szenenwechsel. Sylvie Weber-Hauser hat den Europass im Dezember 2022 gerade in sechs achten Klassen vorgestellt und mit den Schülerinnen und Schülern erste Europass-Lebensläufe für die Bewerbung zum Praktikum erstellt. Das Angebot werde sehr gut angenommen, schildert sie ihre Eindrücke. Das liege auch an der Selbstreflektion, die durch den Europass angeregt werde:

Die Schülerinnen und Schüler arbeiten aktiv an ihrem eigenen Profil und werden so auch für den Arbeitsmarkt attraktiver. Die Faszination des Europass liegt dabei vor allem in der Kombination aus klaren Vorgaben und eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. So habe ich ein gut strukturiertes Dokument und kann zugleich schauen, wie ich dieses attraktiv gestalte.
 

Text von Manfred Kasper