Von der Elbe an die Moldau geht es jährlich für etwa 10 bis 20 Auszubildende der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB AG). Bereits seit 2007 bietet die DVB AG ihren Azubis zur „Fachkraft im Fahrbetrieb“ ein Auslandspraktikum in Tschechien an, das mit dem Europass Mobilität dokumentiert wird. Der internationale Lernaufenthalt ist sogar fest im Berufsausbildungsvertrag verankert. Die Praktika erfolgen im Austausch mit den Verkehrsbetrieben und der Verkehrsschule in Prag – für die sächsichen Auszubildenden eine gute Gelegenheit, ihren Horizont zu erweitern, neue Kompetenzen zu erwerben und eine gute Nachbarschaft zu (er-)leben. Gefördert werden die Auslandspraktika durch das EU-Bildungsprogramm Erasmus+.
Schon seit den 1970er Jahren gibt es gegenseitige Besuche und fachlichen Austausch zwischen den Dresdner und den Prager Verkehrsbetrieben. Daraus entstand die Idee der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Ausbildung. Kati Fach, Gruppenleiterin Aus- und Weiterbildung, begleitet das Projekt seit 2007. Sie ist überzeugt, dass die Auslandspraktika als fester Bestandteil der Ausbildung diese insgesamt attraktiver gemacht haben und die gute Nachbarschaft unterstützen.„Dresden liegt dicht an der tschechischen Grenze. Ein großer Teil der Touristen, die zu uns kommen, sind Tschechen. Wenn ich mit der Kultur des Nachbarlandes vertraut bin und die Sprache verstehe, fördert das auch den Umgang miteinande", so Fach. Inzwischen ist die DVB AG akkreditierte Einrichtung – was, wie die Projektkoordinatorin Sylva Schumann sagt, eine große organisatorische Erleichterung sei.
Wer die Ausbildung zur Fachkraft Fahrbetrieb bei der DVB AG anstrebt, kennt die „Stationen“ der Ausbidung von Anfang an. Sowohl bei den ersten Angeboten zur Berufsorientierung als auch beim Bewerbungsgespräch oder im Ausbildungsvertrag wird das Praktikum in Prag thematisiert. In der Berufsschule lernen die angehenden Fachkräfte im Fahrbetrieb neben Englisch auch Tschechisch. Kurz vor der Abreise findet eine Vorbereitungswoche statt, in der sich die Azubis nochmals intensiv mit Sprache, Kultur, Land und Leuten befassen. Die langfristige Vorbereitung, zahle sich aus:
99 Prozent der Auszubildenden freuen sich auf den Auslandsaufenthalt und erleben ihre Auslandspraktika als positiv.
Sylva Schumann
Während der Praktika erhalten die Azubis an der Verkehrsschule Einblick in das rein schulische tschechische Ausbildungssystem. Daneben hospitieren sie in den Prager Verkehsbetrieben, wo sie die Organisation des Öffentlichen Nahverkehrs einer Millionenstadt hautnah erleben. Die Größe der Stadt, zahlreiche Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn-Linien und ein wesentlich kürzerer Takt im Fahrplan erfordern eine komplexe Logistik, um den Nahverkehr zu planen. In fünf Leistellen – statt in einer wie in Dresden – können die Auszubildenden das Verkehrsgeschehen verfolgen und sehen, wie auftretende Probleme gelöst werden. Darüber hinaus gibt es auch in technischer Hinsicht Spannendes zu entdecken, etwa die hochmodernen Skoda-Straßenbahnen, die in Prag eingesetzt und in viele Länder exportiert werden.
Schon seit den ersten Auslandspraktika erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende ihrer Ausbildung den Europass Mobilität, der aus Sicht von Kati Fach den Auslandsaufenthalt als Teil der Ausbildung nochmals aufwertet:
Europass ist eine zusätzliche Auszeichnung, vor allem im Vergleich mit anderen Ausbildungsbetrieben.
Kati Fach
Er bescheinige ein besonderes Kapitel der Ausbildung und dokumentiere die Kompetenzen, die dabei erworben wurden. Ein Dokument, auf das die jungen Leute sehr stolz seien.
Die Auslandspraktika ermöglichen es den Azubis, sowohl fachliche als auch persönliche Erfahrungen zu sammeln und sich – so Schumann „persönlich weiterzuentwickeln“. Davon profitieren Auszubildende, Unternehmen und – etwa im Hinblick auf die Sprachkenntnisse – nicht zuletzt die Kunden.
Auch Kati Fach erlebt die Rückkehrer/-innen in der Regel erwachsener und selbstbewusster als zuvor. Manches bringen die jungen Leute zudem in ihren Alltag in Dresden ein. So ist es Teil der Abschlussprüfung, eine Umleitung auf der Strecke anzusagen – und zwar in zwei Sprachen. Das sind zwar in der Regel Deutsch und Englisch, es gab aber bereits Teilnehmende, die dies in Deutsch und Tschechisch machten. Für Fach ein Beleg, dass das Angebot gut angenommen wird.
Text von Manfred Kasper und Isabel Götte
Der Artikel ist in gekürzter Form im Journal Bildung für Europa Ausgabe 37, Juli 2023 erschienen.