Von der Kunst, die Zeit zu vergessen: Als Holzbildhauerin in Spanien

Helene Koch in der Holzwerkstatt während ihres Praktikums
Helene Koch in der Werkstatt, © Antonio Fernandez Castro

Juli 2017

Fünf Wochen lang arbeitete Helene Koch in einem Kunsthandwerksbetrieb in der südspanischen Stadt Málaga. Sie nutzte die Chance, im Rahmen ihrer Ausbildung zur Holzbildhauerin über das Programm Erasmus+ eine Zeit im Ausland zu verbringen. Unterstützt wurde sie dabei von der Handwerkskammer Potsdam und ihrem Ausbildungsbetrieb – der SIK-Holzgestaltungs GmbH. Der Europass dokumentiert die Inhalte und Ergebnisse des Arbeitsaufenthaltes.


Am Ende ging alles viel zu schnell. Als Helene Koch im März 2015 ihre Sachen packte, um nach fünf Wochen im südspanischen Málaga nach Deutschland zurückzukehren, war sie selbst erstaunt, wie schnell die Tage in der anfangs noch unbekannten Umgebung vergangen und wie vertraut ihr viele Dinge geworden waren. „Die Arbeit in der Werkstatt des Holzbildhauers Manuel Toledano, genannt Manolo, war so intensiv, dass ich manchmal fast die Zeit vergessen habe“, schwärmt sie. Das lag sicher auch daran, dass es sich um einen Ein- Mann-Betrieb handelte, der sich auf den Bau von riesigen Thronen für die „Semana Santa“, eine der höchsten religiösen Festlichkeiten in Andalusien, spezialisiert hat. Für Helene Koch eine Riesenherausforderung und zugleich eine neue Welt.

„Manolo ist ein Mensch mit viel Erfahrung. Schon sein Vater war Holzbildhauer, es gibt da eine Tradition, von der ich sehr viel lernen konnte“, erzählt Helene Koch. Da ihr Ausbildungsunternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Berufen recht groß ist, reizte sie die Arbeit im kleinen Familienbetrieb ganz besonders. Hinzu kam, dass sie die erste Holzbildhauerin war, die über die Handwerkskammer Potsdam ins Ausland ging. Jeanette Kuplin, Mobilitätsberaterin bei der Kammer, begrüßt dies und unterstreicht: „In Nischenberufen wie Goldschmied oder Holzbildhauer haben wir meist nur noch wenige Auszubildende. Wenn man dort attraktive Angebote machen und das Auslandspraktikum als Baustein in der Ausbildung etablieren kann, bringt das auch neuen Schwung im Sinne der Nachwuchsgewinnung. Daran ist uns sehr gelegen.“
 

Mobilität bringt Vorteile für alle Beteiligten

Auch Nancy Küster, Personalleiterin der SIK-Holzgestaltungs GmbH, glaubt, dass die Zeit im Ausland allen Beteiligten Vorteile bringt. Dazu Küster:

Auch wenn wir als Unternehmen nicht im materiellen Sinne profitieren, erhalten viele Auszubildenden während der Zeit im Ausland völlig neue Ideen und Einblicke, sie kehren in der Regel selbstsicherer und motivierter zurück.

Hinzu komme, dass derartige Angebote auch die Attraktivität der Ausbildung in der Region und der Berufsbildung insgesamt fördern.

Doch die besten Angebote funktionieren nur, wenn es vor Ort verlässliche Partner gibt, um bedarfs- und bedürfnisgerecht agieren zu können. Ein solcher war im Fall von Helene Koch Antonio Fernandez Castro von EURO21-GPA. Er fungiert als Vermittlungspartner für europäische Projekte in Málaga und damit als „Brückenbauer“ zwischen den spanischen Betrieben und den Auszubildenden und organisiert die Praktika, aber auch die Unterkunft, Sprachkurse und Ausflüge in die Kultur. Er wusste, welche Qualifikationen Helene Koch mitbringt und was sie gerne machen würde. Vor diesem Hintergrund hat er sie letztlich mit Manolo zusammengebracht, für den „das Projekt“ ebenfalls Neuland war. „Manolo hatte keine klare Vorstellung davon, was auf ihn zukommt. Er war anfangs eher skeptisch und ließ sich nach und nach immer mehr von der Art und Weise anstecken, wie Helene sich in die Arbeit einbrachte. Und das, obwohl sie anfangs kaum Spanisch sprach“, beschreibt Castro und ergänzt: „Er hat ihr dann ein Stück Zedernholz und eine Zeichnung gegeben und gesagt: ‚Ich möchte mal sehen, was Du daraus machst.‘ Das Ergebnis hat ihn nachhaltig beeindruckt, denn Helene schuf in kurzer Zeit ein barockes, ornamentales Zierwerk aus dem Holz.“
 

Kreative Impulse für den weiteren Berufsweg

Die heute 23-Jährige ist überzeugt, dass die Zeit in Málaga ihr auch kreative Impulse gegeben hat, gerade wenn es um Ornamente geht. Diesbezüglich habe sie in Spanien vieles gelernt, das sie in ihre Arbeit in Deutschland einbringen könne. Zum Ende ihrer Ausbildung im Jahr 2016 hat Helene Koch einen Preis gewonnen. Mit ihrem Prüfungsstück „Lampenfieber“ ging sie Ende 2016 als Bundessiegerin aus dem Wettbewerb „Die gute Form im Handwerk – Handwerker gestalten“ hervor. Heute studiert sie in Dresden im zweiten Semester an der Hochschule für Bildende Künste Theaterplastik. Sie ist im gestalterisch-kreativen Bereich geblieben und kann sich gut vorstellen, später noch einmal ins Ausland zu gehen. Dann – da ist sie sicher – wird ihr der Europass wertvolle Dienste leisten, bringe er doch sowohl die fachlichen als auch die sozialen Kompetenzen, die sie in Spanien erworben hat, sehr gut auf den Punkt.

Das sieht Jeanette Kuplin von der Handwerkskammer Potsdam ähnlich. Seit über 20 Jahren unterstützt die Kammer bereits Mobilitätsprogramme und Kuplin hat dabei gute Erfahrungen mit dem Europass gemacht:

Ich denke, mit dem Europass setzen sich die Auszubildenden für den weiteren Berufsweg von anderen Bewerberinnen und Bewerbern ab. Sie können nachweisen, dass sie eine Zeit ihrer Ausbildung im Ausland verbracht und dort entsprechende Fähigkeiten erworben haben. Der Europass ist mehr als nur ein weiteres Zertifikat. Er ist ein Türöffner und eine Referenz, zumal Internationalität auch im Handwerk immer wichtiger wird.

Text von Manfred Kasper