Europass-Verleihung in der Bezirksregierung Arnsberg, © Bezirksregierung Arnsberg
September 2022
Die Schulaufsicht der beruflichen Bildung der Bezirksregierung Arnsberg hat es sich zum Ziel gesetzt, den 49 Berufskollegs in ihrem Regierungsbezirk den Nutzen des Europass-Portals an der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Arbeitswelt zu vermitteln und den Einsatz der europäischen Karriereplattform in den Berufskollegs zu fördern. Dazu werden beispielsweise pädagogische Tage veranstaltet. Der Ansatz folgt dem Credo „Schulentwicklung durch Erasmus+“. Er soll sowohl den europäischen Austausch stärken als auch die grenzüberschreitendende Mobilität zu Arbeits- und Lernzwecken vereinfachen.
„Meiner Ansicht nach ist das Europass-Portal ein vorzügliches Instrument, um die Auszubildenden und Schülerinnen und Schüler besser auf den europäischen Arbeitsmarkt vorzubereiten", sagt Andrea Stein, Geschäftsführerin der EU-Geschäftsstelle Wirtschaft und Berufsbildung bei der Bezirksregierung Arnsberg. Ein Aspekt ihrer Arbeit ist – in Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen der Beruflichen Bildung – die Schulentwicklung, die sie mit Unterstützung von Erasmus+ fördern möchte. Das Europass-Portal sei dabei ein wichtiger Baustein, denn es trage den europäischen Gedanken in die berufliche Bildung und die Köpfe der Jugendlichen und begleite diese ein Leben lang.
Stein hat das bei ihren eigenen Kindern anhand des Europass Mobilitätsnachweises und des Europass Lebenslaufes erlebt. Vor allem letztgenannter habe durch das 2020 gestartete, neue Europass-Portal mehr Gewicht gewonnen, die Neuerungen seien aber in vielen Schulen noch nicht hinreichend bekannt. Dazu Andrea Stein:
Wir müssen uns die Möglichkeiten des Portals Schritt für Schritt erschließen, zum Beispiel über aktives Bewerbungstraining, das die Anlage eines individuellen Nutzerprofils, das Verfassen eines Lebenslaufes und die Einschätzung und Darstellung der eigenen Kompetenzen umfasst – seien es sprachliche oder auch digitale Kompetenzen. Das Europass-Portal eröffnet den Schulen vielen Chancen.
Im Regierungsbezirk Arrnsberg sind 33 von 49 Berufskollegs in der aktuellen Erasmus+ Programmperiode akkreditiert, einige von ihnen arbeiten auch mit dem Europass. Andrea Stein wünscht sich, dass dessen Anwenderzahl weiter wächst. „Mein Ziel ist es, dass in jedem Bildungsgang, in dem Lebenslauf und Anschreiben festgeschrieben stehen und unterrichtet werden, die Lehrerinnen und Lehrer auch das Europass-Portal einsetzen. Dieses Ziel bewerben wir an unseren Berufskollegs, denn wir müssen erkennen, dass alle Beteiligten der beruflichen Bildung von Internationalität und europäischer Transparenz profitieren. Das Europass-Portal, das in mittlerweile 30 Sprachen verfügbar ist, steht für die Idee eines vereinten Europas. Seine Mehrsprachigkeit erleichtert gerade Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, eine Bewerbung und einen Lebenslauf zu erstellen.“
Für Stein ist das Portal zugleich auch ein „Türöffner“ für die Schulentwicklung. So habe eine Schule, die mit europäischen Partnern zusammenarbeite und von diesen lerne, Vorteile beim Beschreiten neuer Wege und der Entwicklung gemeinsamer Produkte. Vor diesem Hintergrund sei es wünschenswert, auch das Bildungspersonal stärker in entsprechende Prozesse einzubeziehen. Stein beschreibt dazu exemplarisch einen Austausch mit den Niederlanden zum Thema Industrie 4.0. Dabei seien Lehrerinnen und Lehrer einiger Berufskollegs in das Nachbarland gefahren, um dort neue Unterrichtsmethoden kennenzulernen – ein Ansatz, der auch strukturelle Veränderungen für ein verbessertes Lernen der Azubis in der eigenen Schule mit sich bringen kann.
Doch zurück zum Europass. „Wir gehen immer davon aus, dass unsere Jugendlichen fit sind in digitalen Kompetenzen, weil sie ständig Bildschirmkontakt haben“, sagt Marion Kadoch, die 2004 das Europateam am Hansa Berufskolleg Unna gegründet hat. Schon im Einstellungsgespräch im Jahr 1999 war sie gefragt worden, ob sie sich vorstellen könne, Auslandspraktika anzubieten. Heute blickt sie auf mehr als 20 Jahre Erfahrung mit dem Europass zurück. Doch auch die neuen Funktionen des Europass-Portals reizen sie, insbesondere das Tool zur Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen, das Stärken und Schwächen bei der Nutzung von und im verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien offenbart. Kadoch glaubt, dass dies nicht nur für die Selbstreflektion der Schülerinnen und Schüler, sondern auch für potenzielle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber hilfreich ist.
Das Tool zur Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen eignet sich hervorragend, um zu schauen, wo noch Schwachstellen bestehen und wie diese in Zukunft optimiert werden können.
Vor den Sommerferien hat sie das Europass-Portal in ihrem Unterricht getestet, das Echo war äußerst positiv. Das bekräftigt sie in ihrem Vorhaben, das Instrument künftig intensiv zu nutzen, zumal sich die Bewerbungsverfahren komplett geändert haben. Kadoch wörtlich:. „Mittlerweile läuft das Ganze komplett digital ab, dem müssen wir natürlich auch als Schule gerecht werden. Das spiegeln mir übrigens auch meine Schülerinnen und Schüler wieder.“ Diesen gehe es vor allem um Sicherheit und das Erstellen einer klar strukturierten Bewerbung, die alle wichtigen Unterlagen enthält. In manchen Fällen sei es sogar so, dass die Schülerinnen und Schüler erst einmal an das Thema herangeführt werden müssten. Gerade dann leiste das Europass-Portal wertvolle Unterstützung, denn es trage dazu bei, sich selbst und die Chancen auf dem deutschen und europäischen Arbeitsmarkt besser einzuschätzen.
Wie Kadoch ist auch René Lottermoser davon überzeugt, dass derartige Angebote stark vom Engagement und den Kenntnissen der Lehrenden abhängig sind. Er ist Leiter der Abteilung Bautechnik und unterrichtet am Fritz-Henßler-Berufskolleg in Dortmund, wo der Europass seit 2019 im Einsatz ist. Lottermoser koordiniert die europäischen Aktivitäten der Schule, wobei vor allem auch das Bildungspersonal im Fokus steht.
Letztlich geht es uns darum, dass wir uns als Schule – über die Auslandsmobilitäten der Auszubildenden hinaus – mit dem europäischen Ansatz weiterentwickeln, also „Schulentwicklung durch Erasmus+“ betreiben.
„Wir haben ein Konzept entwickelt, das vorsieht, mit allen Lehrerinnen und Lehrern, die in einem Berufsfeld unterrichten, und im Dialog mit einem Partner im Ausland die didaktische Jahresplanung fortzuschreiben. Dazu haben wir unser Bildungspersonal aktuell nach Österreich und Frankreich geschickt, wo sie sich austauschen, Anregungen mitnehmen und ihren Horizont erweitern.“
Die Resonanz auf das Job-Shadowing war überwältigend, ein Großteil der Lehrenden nahm an dem Austausch teil. Lottermoser hält die Begegnung mit Internationalität für einen guten Nährboden, um die verschiedenen Module des Europass-Portals künftig stärker im Unterricht nutzen zu können: vom Bewerbungstraining über den Lebenslauf bis zur Einschätzung der eigenen Sprach- und Digitalkompetenzen. Darüber hinaus hofft er, an die durch die Corona-Pandemie ein wenig gebremste Entwicklung des Jahres 2019 anknüpfen und die Zahl der derzeit 45 Auslandsmobilitäten künftig weiter steigern zu können.
Die Bezirksregierung Arnsberg wird ihn dabei nach Kräften unterstützen. Zugleich hat man dort damit begonnen, den eigenen Azubis die Möglichkeiten eines Auslandsaufenthaltes nahezubringen. So wurden in Kooperation mit den Ausbildungsverantwortlichen der Bezirksregierung sowie dem Berufskolleg Meschede (Hochsauerlandkreis) in diesem Jahr erstmals sieben angehende Verwaltungsfachangestellte für ein dreiwöchiges Auslandspraktikum nach Madrid entsendet. Nach der erfolgreichen Beendigung ihres Auslandsaufenthaltes erhielten sie im Rahmen einer eigenen Veranstaltung den Europass Mobilitätsnachweis.
Im Juli 2020 startete die Europäische Kommission das neue Europass-Portal – eine kostenlose Plattform für das Lernen und Arbeiten in Europa. Sie unterstützt sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Auszubildende, Studierende, Jobsuchende und Berufstätige bei Jobsuche, Bewerbung und Karriereplanung – zum Beispiel durch Tools zur Erstellung einer aussagekräftigen Bewerbung. Herzstück der Plattform ist das E-Portfolio, ein geschützter Online-Speicherplatz, in dem die Nutzerinnen und Nutzer ein individuelles Profil mit Informationen zu Ausbildung, Berufserfahrung und ehrenamtlichen Tätigkeiten anlegen können.
Zum Europass-Portal
Text von Manfred Kasper